Donnerstag, 18. September 2008

Gedanken vom Jakobsweg

Nach zwei Jahren Pause stand wieder eine weitere Etappe des Jakobsweges auf dem Programm. Nach Ottenbach - Genf (2004) und Genf - Le Puy (2005), nahmen Ursula und ich die 250 km von Le Puy nach Figeac in Angriff. Herrliche Landschaften und viel Wetterglück haben uns das Pilgerleben leicht gemacht. Es ist eine Begegnung mit sich selber und vielen anderen Menschen, die auch unterwegs sind.

Es hat mich jedoch auch gefordert in meiner Körperhaltung, bin ich doch übers Jahr etliche Stunden täglich am Bildschirm. Dieses Jahr habe ich den Rucksack als einen idealen Erinnerer erlebt. So ein Rucksack wird richtig unbequem, sobald die Körperhaltung "krumm" wird. Meine Rückenmuskeln waren es sich nicht mehr gewohnt, meinen Körper für etliche Stunden täglich mit dem Gewicht des Rucksackes zu halten und im Gehen auszubalancieren. Wir haben die Etappenlängen auf unsere aktuelle Fitness abgestimmt und einmal mehr bin ich von der Anpassungsfähigkeit unseres Körpers begeistert! Es hat täglich länger gedauert, bis die Muskeln signalisiert haben - hey, ich habe es streng! Nach 10 Tagen war meine Rückenmuskulatur soweit gestärkt, dass sie den täglichen Marsch locker bewältigen konnte. Ist das nicht ein super Erfolgserlebnis?! Aber ACHTUNG: Diese Anpassungsfähigkeit des Körpers funktioniert nur dann so gut, wenn du auf den Körper hörst und ihn nicht überstrapazierst. Wir haben für die ersten 3 Tage bewusst kurze Etappen von rund 15 km eingeplant und erst dann langsam gesteigert.

Unterwegs wurde ich von einer Pilgerin gefragt, was ich dazu meine, täglich ein Schmerzmittel zu nehmen. Hallo?! Es gibt so viele Menschen, die sich gar nicht mehr spüren. Eine Fernwanderung wie der Jakobsweg ist bestens gegeignet, zu lernen besser auf sich selber zu achten. Es ist viel Raum und Zeit da um in sich hineinzuspüren und zu lernen, die Signale des Körpers zu verstehen. Klar, es gibt Situationen im Leben, da sind Schmerzmittel eine gute Sache, aber bitte nicht in so einem Zusammenhang, wo die Schmerzen einfach mit körpergerechteren Etappen beseitigt werden könnten. So eine Denkweise ist, nach meiner Meinung, nur möglich, wenn der Mensch die innere Haltung hat, dass der Körper einfach zu funktionieren hat. Der Kopf regiert und der Körper wird für diese Ziele eingesetzt. Macht es Sinn, in der Freizeit nach den gleichen Mustern der Leistungsgesellschaft zu reagieren? Ist es nicht besser, wenn wir solche Zeiträume nutzen um zu lernen, mehr auf den Körper und seine Signale zu achten? Wenn der Körper das Kommando übernimmt? Wenn der Kopf lernt, sich über den Körper und seine Signale Gedanken zu machen? Wir haben die Wahl, ob wir die leisen oder nur die lauten Töne hören wollen. Wenn wir von uns und unserem Körper zuviel abverlangen, wenn der Körper nicht mehr anders kann, werden die Körpersignale immer klarer und unausweichlicher bis wir lernen, dem Körper auf "gleicher Augenhöhe" zu begegnen.